über Herbert oehm

vernissage herbert oehm in der (op)art galerie esslingen, hans mayer, 1965

eugen gomringer

 

meine sehr geehrten damen und herren,

gold hat wieder seine besonders gute zeit. gold ist en voque. der goldrand am suppenteller ist nicht mehr verboten, und bald wird sich auch die goldleiste wieder hervorwagen. denn die werkbünde haben heute weissgott höhere und dringlichere probleme, als unseren zeitgenossen den goldrand auch weiterhin noch zu verbieten. zum reinen traum von weiss in weiss - der aber, wohlverstanden, immer ein reiner und edler traum bleiben wird - hat sich in den letzten jahren der goldene streifen an unmerklich aber umso sicherer hinzugesellt, seit wir uns, dank wohlstand, vom strengen funktionalismus gelöst haben, ist das ornament wieder in der diskussion, ist die moderne auf dem weg zu ihrem eigenen barock.

aus dem weiss-traum ist in vielen fällen. der traum weiss und gold, ja in ebenso vielen fällen ist daraus der reine traum vom gold geworden, überflüssig von goldfinger und solchen erscheinungen zu sprechen,

oder vom standesüblich gewordenen abendschuh, wie er besonders auffallend im höher gelegenen wintersport aufgekommen ist - auch hier übrigens die anspielung von weiss und gold.

überflüssig vielleicht vom schwungvollen handel mit golden glänzenden ikonen zu sprechen, der den diebstahl und handel mit dem einfachen kupfergerät abgelöst hat. kurz und gut: gold, das sonnenmetall

ist in unserer umgebung akzeptiert und beliebt, und meine weinigen hinweise möchten den zweck haben,

uns in erinnerung zu rufen, dass wir versammelten humanisten und kunstpsychologen unseren goldsinn wieder entwickeln dürfen.

ich glaube also, meine damen und herren, die bilder von herbert oehm, in denen blattgold zur anwendung kommt, passen zu uns, passen in unsere zeit. ihr gold, das uns vielleicht überrascht - bilder

sollen im allgemeinen überraschen - ist alltäglicher, als wir es auf den ersten blick meinen, nur - und damit treten wir der ausstellung näher - ist es nicht nur alltäglich, es ist nicht nur provokation und vorwand zu assoziationen über unser leben und treiben , es ist gleichzeitig an eine ästhetische aussage

gebunden. wenn uns zero, in dessen berührung wir oehm ja zu sehen haben, vorwiegend das sensorium

freimachte für licht, bewegung, energie und weltraum - romantik, wenn uns zero beeindruckte, weil die unter seinem zeichen versammelten schöpfungen neu und rasch waren, so möchten wie nun doch nachträglich da und dort etwas nachprüfen, wie es um die einzelnen leistungen eigentlich steht.

man hat zero mit recht den segen erteilt, zero als neuer erscheinung aber hat man meines wissens noch nicht oder zu wenig; auf wert und unwert an der sache selbst geachtet. so kann es vorkommen, dass eine geringe leistung nur dank ihres bezuges auf den neuigkeitsboom des gesamtaufwandes einen übermässig hohen wert zugesprochen erhält. andererseits ist das fehlen einer kritischen auseinandersetzung mit den tatsächlichen leistungen nur zu gut zu verstehen. schliesslich sollte zuerst der masstab in der sache selbst entdeckt und aus ihr sozusagen abstrahiert werden - und nicht zuletzt sollten auch die begriffe gebildet werden, mit denen über die sache und die vorgänge gesprochen werden können.

ich glaube,wir sind noch nicht so weit.immerhin scheint es nun aber, dass die emotionelle phase der bewegung etwas abgeklungen ist, dass wir heute etwas nüchterner vor den gebilden stehen, dass, was lustig im auftrieb glänzte, heute sich als müder flitter erweisen kann. indessen haben wir in ausstellungen

wie in der , die uns hier umgibt, gelegenheit zu einer überprüfung. wir merken, so wie das oehm auch schon vor uns gemerkt hat, dass sich mit gold und goldesglanz allein nichts mehr anstellen lässt.

schönheit aus dem material heraus, genügt nicht . zwar teilt oehm nun einmal grundsätzlich das verdienst, sagen wir mit yvey klein und louise nevelson, die golderscheinung, die goldmaterialität als ästhetischen aussagewert eingestzt zu haben, aber es kommt ihm zu gut, dass er in ulm wohnt und dass er sich in konkreter weise auch mit bildnerischen aufgaben beschäftigt hat, dass er sicu an ihnen entwickelte. ich sagte in ,konkreter weise' und ich sagte ,aufgaben': das sind vokabeln, die auf den kalkül in der kunst deuten, die sogar auf die rationale konkrete kunst weisen.